Nach-Schock
Claude AnShin Thomas
Sonntag, ich meine, es war ein Sonntag, an dem ich ihn in seinem Zimmer allein ließ. Ich gab ihm einen Gutenachtkuss, und er küsste mich auch. Ich zog die Bettdecke unter seinem Kinn zurecht und streichelte seine Wange, bis seine drei Jahre alten Augen einfach nicht mehr länger offen bleiben wollten. Er hatte keine Ahnung, dass dies das letzte Mal für viele Jahre sein sollte, dass wir uns sahen. Ich dachte, dass ich ging, weil ich es so wollte. Ich dachte, dass ich ging, um mich meiner Kunst, meiner Musik, zu widmen. Ich dachte, dass ich ging, weil ich, verbunden mit seiner Mutter, gefangen in leblosen Fesseln aus Stahlwerken, Schöner Wohnen, Betty Crocker und „Leave it to Beaver“, fast immer eine Pistole in meinen Mund stecken und den Abzug drücken wollte.
Ich wollte ihn nicht verlassen, meinen Sohn, ich wollte ihn mit mir nehmen. Aber in meiner Dunkelheit, der Dunkelheit meines Lebens, gab es kleine Lichtpunkte, die mir zuflüsterten: „Er muss hier bleiben, in Sicherheit bei seiner Mutter, denn du könntest morgen tot sein, und was dann?“
Ich dachte, dass ich aus freiem Willen ging, bis ich, nach einer weiteren schlaflosen Nacht, schweiß gebadet, zwanzig Jahre später, all dies sich widerspiegeln sah im Gesicht eines jungen vietnamesischen Mädchens. Ich sah in ihre Augen, während ich sie plötzlich hörte, dreißig oder vierzig Kinder, sich sammelnd und um uns herum ausschwärmend, um Essen bettelnd, um Zigaretten bittend, um Geld – einfach nur bettelnd. Sie versuchten, uns Coca Cola zu verkaufen, Ananas, Bananen, ihre Schwestern, ihre Mütter. Sie versuchten, in den Hubschrauber hineinzugelangen, steckten ihre Hände in unsere Taschen. Alle redeten auf einmal – ein einziges riesiges Wort, ein einziger großer Lärm, Chaos. Dann, über ihren Köpfen, eine einzige kurze Explosion aus einer M-16. Eine kurze Explosion aus der Richtung der Vorhut, dann eine weitere hinter mir, und die Kinder zerstreuten sich wie ein Schwarm von Flussuferläufern, wenn eine Schaumwelle am Ufer zu nah kommt. Sie zerstreuten sich, eins sich am anderen festhaltend, ihre kleinen Köpfe einziehend, sich instinktiv und schützend hinter ihren Händen verbergend. Und so schnell wie sie erschienen waren, verschwanden sie wieder – Gespenster in einem Traum – mit Ausnahme eines winzig kleinen Babys, das weinend im Staub zurückgelassen wurde. Seine Stimme ließ das höhnische, sarkastische Gelächter der Jungs verstummen, die die Schüsse abgefeuert hatten, die gegrölt hatten, gemeinsam mit anderen: „didi mau mother fuckers – didi mau!!“ Und wieder, die Stille, die nur durch das Weinen eines Kindes ausgelöst werden kann, und dann, Bewegung. Die Bewegung von Männern angezogen von diesem emotionalen Magneten. Drei vom mittleren Helikopter, ich von der Nachhut und einer von der Vorhut, der rannte. Er kam als erster dort an, beugte sich vor, berührte das schreiende Kind, die anderen drei, kurz davor, dasselbe zu tun, und ich, vielleicht einen halben Meter entfernt.
In demselben Moment, in dem die Hände das schreiende Kind berührten, wirbelte ein unsichtbarer Wind um mich herum, kalt, Todeshauch, und ich hielt an und rief lautlos: „Hebt dieses Baby nicht auf!“ Und sowie der Gedanke sich in einen Laut verwandeln wollte, der gerade begann, sich auf meinen Lippen zu formen, war da eine Explosion, Todesschreie, und als ich mich vom Boden aufraffte, fiel die Hand des Kindes von meinem Hemd. Da war ein Fuss, eingekeilt unter meinem Oberschenkel, abgerissen von seinem Bein, immer noch in seinem Schuh steckend. Das Kind war mit einer Bombe versehen! Das Kind war eine Bombe! Ich lag in Blutlachen, mein Hemd war durchtränkt. Es überzog mein Gesicht mit dem Staub dieses unbenannten Ortes.
Sie starben, alle fünf, sie starben in Stücken rings um mich her. Und als du weintest, Zach, konnte ich dich einfach nicht aufheben. Ich musste das Haus in Panik verlassen, schwitzend, kalt, hinein in diese purpurrote Verwirrtheit. Und ich habe nie gewusst, warum, bis ich zwanzig Jahre später in die Augen jenes jungen vietnamesischen Mädchens sah, das mit seinen Freunden spielte.
Ich dachte, ich sei gegangen, weil ich es wollte!