Ein Pilgertag zu einer deutschen Gedenkstätte

von Wiebke KenShin Andersen
Im September führten Claude AnShin Thomas und ich eine Gruppe von zehn Praktizierenden auf eine eintägige Pilgerwanderung von der deutschen Stadt Leverkusen-Opladen zu einer nahegelegenen Gedenkstätte. Das Pilgern ist seit Jahrzehnten ein Teil des monastischen Lebens von Claude AnShins und mir. Claude AnShin betont, dass das Gehen selbst im Mittelpunkt dieser Praxis steht. Gleichzeitig waren wir uns beim stillen Gehen alle bewusst, was an dem Ort geschehen war, dem wir uns näherten. Die Gedenkstätte markiert die Stelle, an der am 13. April 1945, nur wenige Tage bevor amerikanische Truppen das Gebiet vom Nazi-Regime befreiten, 71 Männer getötet wurden. (Deutschland kapitulierte kurz darauf, am 8. Mai 1945.)

Im Januar 1945 hatte die Gestapo (die geheime Staatspolizei der Nazis) die Hinrichtung von 500 politischen Gefangenen in der Region angeordnet – darunter sowohl Einheimische als auch Ausländer.

 Angesichts des nahenden Zusammenbruchs des Regimes verstärkten die Nazis ihre Bemühungen, jegliche potenzielle subversive Tätigkeit zu unterbinden. Ein mutiger Gefängnisdirektor, Dr. Engelhard, konnte die Zahl der Gefangenen auf 90 reduzieren und ausländische Gefangene ausschließen. Am 12. April 1945, dem Abholtag, gelang es ihm außerdem, 35 Gefangene zu einem Arbeitseinsatz zu schicken. Die Gestapo war wütend, nur 55 Gefangene zu erhalten, und holte am nächsten Tag weitere 16 Gefangene aus der Region.
Nach etwa drei Stunden stillen Gehens erreichte unsere Pilgergruppe die Stelle, an der die Gefangenen aufgestellt und wo jeder Mann durch einen Genickschuss getötet wurde. Die Gruppe las laut alle bekannten Namen der Gefangenen vor, die an diesem Ort ermordet wurden, und Claude AnShin und ich rezitierten das Herz-Sutra.

Claude AnShin erinnerte die Gruppe daran, dass solche Ereignissen auch heute noch geschehen – und dass es auch in Deutschland oder den USA sehr nah sein könnte, dass so etwas wieder geschieht. Er lud alle Anwesenden ein, sich in die Lage der Gefangenen zu versetzen, die an dem Tag ihrer Abholung wussten, was ihnen bevorstand – und auch in die Lage derjenigen, die diese Exekutionen durchführten und mit den Konsequenzen leben mussten, so viele Leben aus nächster Nähe ausgelöscht zu haben

Claude AnShin schloss mit den Worten:
„Es ist egal, was wir denken, sagen oder glauben. Es zählt, was wir tun.“