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Die Illusion eines getrennten Selbst
(Kapitel des Buches „Meditation mitten im Leben“)
von Claude AnShin Thomas
Eine der grundlegenden Lehren des Buddhismus ist, dass es in Wahrheit kein getrenntes Selbst gibt. Ja, mein individuelles körperliches Wesen existiert, aber meine Existenz ist nicht aus dem Nichts heraus entstanden. Meine Existenz hängt ab von meinen Eltern, Großeltern und Urgroßeltern – von sämtlichen Generationen, die mir vorangegangen sind. Alle diese Menschen sind in mir anwesend. Sie leben in meiner körperlichen, emotionalen und spirituellen DNS. In welchem Sinne bin ich von ihnen getrennt?
Es lohnt sich auch, über unsere Abhängigkeit von der natürlichen Welt nachzudenken. Wenn es zum Beispiel keine Bienen mehr gäbe, die unsere Nutzpflanzen bestäuben, hätte die Menschheit Schwierigkeiten, die Nahrung zu produzieren, die wir zum Überleben brauchen. Mein Leben ist von Bienen abhängig, von Pflanzen und von vielen weiteren Lebensformen. Aus dieser Perspektive ist die Idee eines abgetrennten, unabhängigen Selbst ein Mythos. Mein Intellekt kann die Illusion eines Selbst erschaffen, aber das ist nichts weiter als ein Konstrukt des Geistes. Durch eine beständige, verpflichtete und disziplinierte Meditationspraxis werden wir beginnen, das getrennte Selbst als eine Erfindung zu erkennen, und wir werden beginnen, unsere gegenseitige Verbundenheit mit allem Leben direkter und inniger zu erfahren.