Hier finden Sie einige grundlegende Meditationsübungen, die Sie in Ihrem Alltag anwenden können. Ich hatte die Gelegenheit, Menschen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund und in ganz unterschiedlichen Situationen in Meditation zu unterrichten. Wo auch immer ich hingehe, unterrichte ich die zen-buddhistischen Übungen, die mir selbst geholfen haben, mein Leben zu verändern. Sie können selbst entscheiden, wie viele der Übungen Sie anwenden möchten, doch ermutige ich Sie, sich dabei zu bemühen, sich wirklich auf die Übungen einzulassen und herauszufinden, was Ihnen hilft, mehr Gewahrsein, mehr Offenheit und mehr Mitgefühl zu entwickeln.
Sitzmeditation:
Üben Sie jeden Morgen und jeden Abend mindestens fünf Minuten Sitzmeditation. Suchen Sie sich dafür einen behaglichen und ruhigen Ort. Wenn Sie mögen, dann errichten Sie dort einen kleinen Altar mit einer Kerze, Räucherstäbchen und ein paar Blumen. Sie können für die Meditation auf einem Stuhl oder auf dem Boden sitzen. Wenn Sie sich auf einen Stuhl setzen, dann stellen Sie Ihre Fü.e flach auf den Boden und setzen sich aufrecht hin (lehnen Sie Ihren Rücken nicht an). Falls Sie auf dem Boden sitzen, können Sie mit gekreuzten Beinen die volle oder halbe Lotusposition einnehmen, wobei Sie ein Kissen zur Anhebung des Gesäßes benutzen können, sodass die Knie einfacher den Boden berühren. Oder Sie können auch in „seiza“ sitzen, einer Position, die in Japan von Ordinierten und Laien zur Meditation häufig eingenommen wird. Man kniet dabei auf dem Boden mit dem Gesäß auf den Fersen. Diese Position kann für Anfänger schwierig sein, sodass es für hilfreich sein kann, dabei ein Kissen oder ein Sitzbänkchen unter dem Gesäß zu haben. Sitzen Sie mit aufgerichtetem Kopf und leicht eingezogenem Kinn. Nehmen Sie die Schultern zurück. Stellen Sie sich vor, dass die Ohren in einer Linie mit den Schultern sind und die Nase in einer Linie mit dem Bauchnabel. Finden Sie eine bequeme Handhaltung, z. B. können Sie die Hände im Schoß ruhen lassen. Oder Sie können eine traditionellere Handhaltung einnehmen, bei der die Finger der rechten Hand auf den Fingern der linken Hand liegen, die Handflächen nach oben weisen und die Daumen einander fast berühren. Falls Sie diese Position wählen, halten Sie Ihre Hände einfach auf Höhe des Bauchnabels. Sie können mit offenen oder geschlossenen Augen sitzen. Falls Sie die Augen geöffnet lassen, senken Sie den Blick und suchen Sie eine Stelle vor sich auf dem Boden, wo Sie Ihren Blick ruhen lassen können. Bei der Sitzmeditation ist eine korrekte Körperhaltung aus vielerlei Gründen wichtig, unter anderem um den freien Atemfluss zu ermöglichen. In dieser Körperhaltung konzentrieren Sie sich nun auf Ihren Atem, auf jede Einatmung und jede Ausatmung. Spüren Sie, wie sich der Bauch beim Einatmen hebt und beim Ausatmen wieder zusammenzieht. Es gibt nichts zu erreichen, es gibt dabei nichts zu gewinnen. Registrieren Sie Ihre Gedanken, Ihre Gefühle und Ihre Vorstellungen. Hängen Sie sich nicht daran, doch weisen Sie sie auch nicht zurück. Beobachten Sie sie einfach und atmen Sie weiter. Wenn Sie merken, dass es Ihnen Schwierigkeiten bereitet, bei Ihrem Atem zu bleiben, dann können Sie zur Unterstützung die
Technik des Atemzählens anwenden. Atmen Sie einmal ein und aus zählen Sie dabei 1; ein und aus _ zählen Sie 2 usw., bis Sie bei 10 angekommen sind. Wenn Sie bei 10 angekommen sind, dann zählen Sie wieder rückwärts bis 1. Denken Sie daran, dass es nicht darum geht, zur 10 zu gelangen, sondern darum, mit Ihrem Atem in Verbindung zu bleiben. Falls Sie körperliches Unbehagen verspüren, sitzen Sie damit für eine Weile. Falls das Unwohlsein andauert, ändern Sie achtsam Ihre Haltung ein wenig, bis der Schmerz nachlässt.
Ihre »Sitzmuskeln« (mentale, spirituelle wie körperliche) werden nach einigem Üben stärker werden. Selbst wenn Sie nur fünf Minuten lang sitzen, sollten Sie dies in jedem Falle jeden Morgen und jeden Abend tun. Es muss nicht perfekt sein, aber es ist wichtig, dass Sie es tun. Ich garantiere Ihnen, dass sich Ihr Leben verändern wird und dass Sie anfangen werden, Heilung und Transformation zu erleben.
Gehmeditation:
Phasen der Sitzmeditation können mit Gehmeditationen abgewechselt werden. Gehmeditation ist dem Sitzen ähnlich, mit dem Unterschied, dass wir nun unsere Schritte mit dem Atem verbinden; wir stimmen unsere Schritte auf unseren Atem ab. Bei jeder Einatmung machen wir einen Schritt und bei jeder Ausatmung machen wir einen Schritt. Ein, aus, ein, aus. Wir gehen langsam und ganz bewusst und erzwingen nicht das Zusammenspiel zwischen Schritten und Atem, sondern lassen zu, dass sich von selbst eine stimmige Beziehung entwickelt.
Wenn wir in einer Gruppe sind, gehen wir in einer Linie hintereinander. Sie können Ihre Hände an den Seiten hängen lassen oder auch eine traditionellere Handhaltung ausprobieren: Machen Sie eine Faust mit der linken Hand, der Daumen liegt dabei innen. Halten Sie die Faust mit der Handfläche in Richtung des Solarplexus, wobei das Daumengelenk noch oben zeigt. Dann legen Sie die rechte Hand auf und um die linke Faust herum, sodass die linken Fingerknöchel in der rechten Handfläche liegen. Behalten Sie diese Handposition während des Gehens bei und halten Sie die Unterarme parallel zum Boden. Sie können die Hände auch „In Gassho“ halten, d.h. dass Sie die Handflächen in Höhe des Gesichts aneinander pressen, wobei die Fingerspitzen der Mittelfinger auf gleicher Höhe mit der Nasenspitze sind. Lassen Sie Ihren Blick ca. einen Meter vor sich auf dem Boden ruhen. Gehen Sie einfach, um zu gehen. Sie müssen nirgendwo ankommen. Sie sind immer hier und jetzt da. Wir kommunizieren durch unsere Fü.e mit der Erde und dem gesamten Universum. Ganz besonders in Zeiten mit viel Aufregung und Sorgen ist die Gehmeditation ein wunderbares Mittel, uns zentriert und konzentriert zu bleiben und nicht von unseren Gedanken, Gefühlen und Vorstellungen mitgerissen zu werden. Wenn Sie Meditation in längeren Zeitspannen üben wollen, ist Gehmeditation eine wunderbare Möglichkeit, die Zeit des Sitzens zu unterbrechen und dabei den Körper auszustrecken und zu entspannen. Lassen Sie sich dabei Zeit und achten Sie auf Ihren Atem und Ihre Schritte. Wenn Sie draußen Gehmeditation üben, dann folgen Sie
denselben Richtlinien, aber gehen etwas schneller. Verbinden Sie sich mit dem Tempo der Welt um Sie herum und mit dem Tempo des Alltages. Sie können zum Beispiel bei der Einatmung drei Schritte und bei der Ausatmung drei Schritte tun. Denken Sie daran, dass die Absicht bei der Gehmeditation immer darin besteht, dass sich ein natürlicher Rhythmus von Atem und Schritten einstellt (Ich habe herausgefunden, dass mein natürlicher Rhythmus darin besteht, bei der Einatmung vier Schritte zu tun und bei der Ausatmung vier Schritte). Gestatten Sie es sich während des Gehens Ihre Umgebung, durch die Sie sich bewegen und von der Sie ein Teil sind, wahrzunehmen. Spüren Sie die Luft, wie Sie sie sanft berührt oder kühlt. Beobachten Sie die Farben, an denen Sie vorbeigehen, und Ihre Beziehung dazu.
Nehmen Sie die Geräusche wahr und Ihre Beziehung dazu.
Gehen Sie, atmen Sie und nehmen Sie wahr.
Arbeitsmeditation:
Arbeiten ist ein Teil unseres Lebens; es ist ein Ausdruck unserer Kreativität und unserer Verbundenheit mit dem Leben. Es gibt immer etwas, das getan werden muss; wir können dies also genauso gut als Gelegenheit zum Üben nutzen. Die kürzeste Anleitung zur Arbeitsmeditation ist: Wenn Sie nicht mit Ihrem Atem in Kontakt sind, sind Sie nicht in Arbeitsmeditation! Wenn wir arbeiten, tun wir etwas, einfach um es zu tun. Wir tun einfach, was gerade getan werden muss. Und am Ende einer Arbeitsperiode, treten wir zurück und betrachten, was dabei zustande gekommen ist. Seien Sie sich jedes Details Ihrer Arbeit bewusst. Seien Sie sich bewusst, was Sie als angenehm oder unangenehm wahrnehmen. Seien Sie sich Ihrer Hierarchie-Konzepte bewusst. Erkennen Sie, wann und wo Sie sich aus dem Gleichgewicht gebracht fühlen, und machen Sie einen Schritt in Richtung größerer Ausgewogenheit.
Zum Beispiel, falls Sie jemand sind, der allein arbeitet, bitten Sie jemanden um Hilfe. Falls Sie jemand sind, der eher am Rand steht und anderen die Initiative überlässt, dann seien Sie ein bisschen bestimmender. Falls Sie die Tendenz haben, zu schnell zu arbeiten, dann versuchen Sie etwas langsamer zu machen.
Ein chinesischer Mönch sagte: »Ein Tag ohne Arbeit ist ein Tag ohne Nahrung.« Denken Sie daran, dass unsere Arbeit uns unterstützt und unser Leben erst ermöglicht – dass nämlich solche einfachen Notwendigkeiten wie Nahrung ohne ein aktives Engagement im Alltag nicht auf magische Weise von selbst erscheinen werden. Wir können unsere Arbeit als eine Art des Dankes betrachten; Dank an die Welt für das Vorhandensein von Obdach, Nahrung, Licht, Wärme, Wasser usw. Bedauerlicherweise ist Arbeit zu einer enormen Quelle von Leiden in unserer Gesellschaft geworden. Unser Wert und unsere gesellschaftliche Anerkennung und Zugehörigkeit werden häufig anhand unseres Berufes gemessen oder daran, ob wir überhaupt eine Arbeit haben. Arbeitsmeditation kann uns dabei helfen, das Licht des Bewusstseins und des Mitgefühls in die Welt der Arbeit zu bringen.
Essmeditation:
Wir alle müssen essen, aber wir achten kaum darauf, wann, was oder mit wem wir essen. Essen kann zu einer Droge werden, die unsere Gefühle betäubt und uns am Erwachen hindert. Die beste Vorbereitung zur Essmeditation ist, hungrig zu sein und zu wissen, dass weniger oft mehr ist. Wenn Sie sich mit einem Teller mit Essen hinsetzen, dann sollten Sie sich zunächst einen Moment Zeit nehmen und dreimal bewusst ein und ausatmen, bevor Sie mit dem Essen beginnen.
Dann rezitieren Sie folgenden Vers, entweder laut oder still für sich:
„Dieses Essen ist das Geschenk des ganzen Universums,
der Erde, des Himmels und viel harter Arbeit. Möge ich auf
eine solche Art und Weise leben, die mich würdig macht,
es zu empfangen. Möge ich meine unheilsamen Geisteszustände
umwandeln, insbesondere meine Gier. Möge ich
nur Essen zu mir nehmen, das mich nährt und mich vor
Krankheit schützt. Ich empfange dieses Essen, sodass ich
den Pfad der Übung von Liebe, Mitgefühl und Frieden verwirklichen
möge.“
Dann beginnen Sie zu essen.
Falls möglich, essen Sie schweigend. Kauen Sie jeden Bissen 50 Mal oder geben Sie sich, wenn Sie mit dieser Übung anfangen, zumindest Mühe dabei, auch wenn Sie bemerken, dass ein Bissen für so häufiges Kauen nicht ausreichen wird. Wir neigen dazu, unser Essen sehr schnell hinunter zu schlucken. Viele von uns haben dieselbe Dynamik in ihrem Leben: Wir wollen auf gar nichts herumkauen; wir wollen konsumieren, die Dinge aufnehmen und hinunterschlucken. Also, nehmen Sie sich die Zeit, das wundervolle Geschenk der Nahrung wertzuschätzen – die Gerüche, den Geschmack, den Anblick, die Geräusche. Mit Kindern können Sie eine Mahlzeit damit beginnen, die Nahrung auf dem Tisch beim Namen zu nennen. Auf Erwachsene wirkt es sich wiederum positiv aus, ein Nahrungsmittel gerade nicht zu benennen und damit nicht dafür zu sorgen, dass der Intellekt sofort die Führung übernimmt. Treffen Sie die Entscheidung, die Ihnen dabei hilft, die Nahrung, die Sie essen, vollständig zu erleben. Anstatt nur aus Vergnügen zu essen, sollten Sie auch die Gesundheit Ihres Körpers und Geistes in Betracht ziehen. Nahrung ist nur gesund, wenn sie ausgewogen ist; zu viel davon ist nicht gut und zu wenig auch nicht. Nehmen Sie sich 15 Minuten Zeit bei jeder Mahlzeit, um Essmeditation zu üben, und Ihr Körper wird die Gelegenheit haben, Ihnen zu zeigen, wenn er satt ist – ein Moment, den wir oft verpassen. Ihr Körper wird dafür dankbar sein, Nahrung zu erhalten, die bereits gut gekaut ist. Und Ihr Körper wird dafür dankbar sein, nicht zu viel und nicht zu wenig zu erhalten. Atmen Sie am Ende der Essmeditation dreimal ein und aus und sagen Sie laut oder innerlich Danke.
Tiefes Zuhören und achtsames Sprechen:
Sehr viel von unserem Leiden wird durch die Art, wie wir kommunizieren, ausgelebt. Die Übung des tiefen Zuhörens und des achtsamen Sprechens hilft uns dabei, bewusster zu werden, unsere eigenen Geschichten und die Geschichten anderer kennenzulernen und mehr Frieden in unser Leben zu bringen. Wir müssen unsere Geschichte wieder und wieder erzählen und anderen zutiefst zuhören, sodass wir den Kreislauf des Leidens anhalten können. Wir müssen einander zuhören, wirklich zuhören, ohne der Versuchung zu unterliegen, etwas ändern oder in Ordnung bringen zu wollen. Während wir zuhören, können wir einfach mit Offenheit und Empathie da sein. So kann der Heilungsprozess beginnen. Obwohl wir glauben, das wir wüssten, was tiefes Zuhören wirklich bedeutet, schenken wir einem anderen doch oft nicht unsere ganze Aufmerksamkeit, wenn er spricht. Wir tendieren dazu, zu beurteilen, was jemand sagt, uns zu verteidigen, zu reagieren, Ratschläge zu geben oder auf andere Weise die Situation kontrollieren zu wollen. Deshalb ist die Übung des achtsamen Zuhörens so hilfreich.
Wenn ich mit Gruppen arbeite, wende ich die folgende Übung an, um achtsames Zuhören zu praktizieren: Wir sitzen im Kreis. Ein Gegenstand – es ist egal, was für ein Gegenstand es ist – wird in die Mitte des Kreises gelegt. Wir sitzen für kurze Zeit in Stille zusammen und konzentrieren uns auf unseren Atem, auf den Rhythmus von Einatmung und Ausatmung. Wenn jemand in der Gruppe bereit ist zu sprechen, signalisiert er den anderen ohne Worte, dass er sich den Gegenstand aus der Mitte nehmen möchte. (meist schlage ich vor, dass die Person Ihre Handflächen aneinander legt, sodass die Fingerspitzen der Mittelfinger auf gleicher Höhe mit der Nasenspitze sind, und sich verneigt. Doch jede andere Geste ist auch in Ordnung). Nach dieser Geste nimmt die Person, die sprechen möchte, den Gegenstand aus der Mitte auf und beginnt zu sprechen, während sie mit der Aufmerksamkeit ganz bei ihrem Atem bleibt. Während einer aus der Gruppe spricht, hören die anderen zu. Auch die Zuhörenden nutzen ihren Atem als Anker, während sie die Gedanken, Gefühle und Vorstellungen wahrnehmen, die währenddessen bei ihnen aufsteigen. Die Zuhörenden kommentieren das Gesagte nicht, sie geben keine Ratschläge, machen keine Vorschläge, sondern atmen einfach weiter ein und aus, während sie versuchen aufmerksam zuzuhören und auch das wahrzunehmen, was sie am Zuhören hindert. Wenn der Sprechende geendet hat, zeigt er dies der Gruppe mit einer Geste an, vielleicht der gleichen Geste wie zu Beginn, und legt den Gegenstand zurück in die Mitte des Kreises. Nun wird derjenige, der gesprochen hat, zu einem aktiven Zuhörer. Was in der Gruppe gesagt wird, muss auch innerhalb der Gruppe bleiben, damit sich eine Atmosphäre der Integrität und des Aufgehobenseins entwickeln kann. Außerdem ist es sehr wichtig, dass eine solche
Gruppe nicht zu einer Diskussionsrunde wird. Vielmehr ist dies eine Übung, um achtsames Zuhören zu entwickeln. Diese Übung ist nicht immer angenehm und einfach, aber sie ist entscheidend, um zu erwachen.